Unterstufen-Theater am LGD: Munterer Orientierungslauf zwischen Warndreieck und Boxring

Der recht enigmatische Titel des Stücks „Sie wollen uns erzählen“ lies das Publikum rätseln, was für eine Geschichte da wohl auf der Bühne dargeboten werden solle und überhaupt von wem?

Das 45-minütige Bühnenspektakel des Unterstufen-Ensembles des Leibniz-Gymnasiums lieferte dann zwar Antworten, aber nur um neue, fundamentale Fragen aufzuwerfen und die gut 90 Zuschauer*innen damit zu konfrontieren, dass der eigene Weg in einer sich rasch wandelnden und konfliktreichen Welt nicht immer gar so leicht zu finden ist.

Regisseur und Spielleiter Felix Aktas, der im Laufe der vergangenen Jahre schon zahlreiche Kinderstücke mit viel Herzblut, Dynamik und schrägen Regieeinfallen auf der Bühne des Pädagogischen Zentrums der Schule gezeigt hat, orientiert sich in diesem Jahr lose an Thomas Brückners Stück „My Way“.  Da finden sich Nadine, Franzi, Tamara und Ruby orientierungslos im Nirgendwo wieder und ihnen begegnen nacheinander die personifizierten Eigenschaften Ehrgeiz, Toleranz, Egoismus, Vernunft und Risiko. Schließlich ist es die Erfahrung, die ihnen dazu rät, doch mal individuell zu schauen, welche Eigenschaft wann am nützlichsten ist, um sein Leben aktiv selbst zu gestalten.

Was leicht nach Moralin klingen mag, transportiert sich dem Publikum als eine temporeiche Parade von liebevoll gestalteten Charakteren und schön schrägen Ideen. So kommt die Toleranz (toll gespielt von Emilia Lai) als Hippie daher, aus deren anachronistischem Kassettenrecorder Scott McKenzie dudelt oder der Egoismus (Jonas Hillringhaus), der sämtliche Wegzehrungsgummibärchen für sich reklamiert.

Die 9 Darsteller*innen aus den Klassen 5 und 6 zeigen sich äußerst spielfreudig, sicher und authentisch in ihren doch ziemlich textlastigen Rollen. Insbesondere die vier Gestrandeten (Amelie Albozeid, Melody Schäfer, Lanika Frech und Amalia Kagel) machen uns glauben, dass wir – die Welt der Erwachsenen – die nachwachsende Generation nur allzu gern belehren wollen (oft aber ohne dabei ein gutes Beispiel abzugeben) und sie setzen sich mit den sich im Schaulauf präsentierenden Tugenden kontrovers auseinander, um durchaus auch dem Publikum den Spiegel vorzuhalten.

Der Abend wird neben dem erfrischenden Spiel getragen von schönen, stimmungsvollen Lichtbildern und einem Soundtrack mit viel perfekt abgestimmtem Deutschrock (wohl eine Hommage des Regisseurs an seine Lieblingsband?).

Was bleibt? Die Erfahrung, wie schön es ist, trotz der Pandemie wieder einen inspirierenden Theaterabend erleben zu dürfen und das Fazit, dass wir wohl alle ständig nach Orientierung suchen in einer aus den Fugen geratenen Welt und unserem moralischen Kompass trauen dürfen (und der Jugend auf ihrem Weg durchaus ein bisschen Vertrauen schenken sollten). Applaus!